Pygmäen und Corona

Kaum zu glauben: es ist nur etwas über vier Wochen her, dass ich in Kamerun und der Zentralafrikanischen Republik gewesen bin. Ich wollte dort die Lebensweise eines Pygmäenvolks sehen – den Ba’Aka. Die Ba’Aka habe ich durch den Film “Songs from the Forest” über Louis Sarno kennen gelernt – ein Amerikaner, der ihre Gesänge sehr liebte und der Welt zugänglich machen wollte. Und der deswegen über 30 Jahre zusammen mit den Ba’Aka (oft auch “Bayaka”) im Regenwald wohnte – im südlichsten Zipfel der Zentralafrikanischen Republik, nahe der Grenzen zu Kamerun und zum Kongo, mitten im Kongo-Becken. Zwei Tage dauert die beschwerliche Anreise bis zum Dzanga-Shangha-Nationalpark. Man reist am besten über Yaounde in Kamerun an, denn in der Zentralafrikanischen Republik tobt ein Bürgerkrieg, der Überland-Reisen unsicher macht.

Die Ba’Aka werden in der Bevölkerung von Kamerun und RCA als “niederes Volk” angesehen und leben isoliert in ihren eigenen Dörfern außerhalb der Städte entlang des Dzanga-Flusses, der den Dzangha-Sangha-Nationalpark durchquert. Dort gibt es auch Waldelefanten und drei Familien habituierter Flachland-Gorillas, die (im Vergleich zu ihren Kollegen in Uganda und Ruanda) mit weniger beschwerlichen Fußmärschen erreichbar sind. Trotzdem verirren sich nur wenige Touristen hierher – zu schwierig ist die Anreise und der Park nicht wirklich bekannt.

Die Ba’Aka – zumindest einige davon – sind in die touristischen Aktivitäten eingebunden und zeigen uns, wie man mit selbstgeknüpften Lianen-Netzen Tiere fangen kann. Jede Pflanze hat ihren Nutzen – ob gegen Ohrenschmerzen, als Wasserspeicher und -spender oder sogar als Viagra-Ersatz. Sie kennen den Wald wie ihre Westentasche. Dort, wo wir wegen der dichten Bewachsung kaum 5 Meter sehen können, finden sie sich mühelos zurecht. Der Wald ist ihr Lebenselixier. Dennoch herrscht bei den Ba’Aka bittere Armut: nur 15 der etwa 500 Ba’Aka dürfen die Touristen begleiten. Bei den Menschen kommt nicht viel des Geldes an, was wir für Gorilla-Trekking und Ausflüge bezahlen. Viele der Kinder haben Blähbauch, sind unter- und miss-ernährt. Kaum eines geht zur Schule, denn alle müssen mithelfen, Nahrung aus dem Wald zu holen. Die Malaria-Durchseuchung ist hoch, die medizinische Versorgung schlecht.

Vier Wochen später sitze ich zuhause – das Corona-Virus wütet gerade in Europa. Wie es den Ba’Aka wohl gerade geht? Hustet dort jemand gerade anders als normal? Bekommen sie mit, dass da in der globalisierten Welt, die ja nicht ihre ist, gerade was ganz Großes, Böses, Unheilvolles passiert? Ist das Virus etwa schon in den Regenwäldern angekommen? Ich selbst könnte es eingeschleppt haben – oder einer der Wissenschaftler, die sich dort vor allem um die Tierwelt im Nationalpark kümmern. Jemand, der von weiter weg kam als mit dem Einbaum zu erreichen ist, denn der normale Bewegungsradius der Ba’Aka ist nicht sehr groß. Grotesk: als wir die Gorillas besucht haben, mussten wir Atemmasken tragen, um zu verhindern, dass die “Zivilkrankheiten”, die wir so mit uns rumschleppen, die Tiere nicht gefährden kann. Aber was ist mit den Menschen? Vermutlich sind die Tiere im Nationalpark viel besser versorgt als die Ba’Aka. Zwar gibt es im nahen Ort Bayanga sogar ein Krankenhaus mit Lageplan. Aber ob die dort Beatmungsgeräte haben? Und ob ein Ba’Aka dort überhaupt Hilfe finden würde? Bezahlen kann er sie bestimmt nicht. Ich hoffe sehr für die Menschen dort, dass sie von dieser Seuche verschont bleiben!

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